Digitale Kompetenzen in der Weiterbildung
Gesamtgesellschaftliche Phänomene wie die Digitalisierung, der demografische Wandel und globale Prozesse wie die Globalisierung und Migrationsbewegungen verändern bestehende Strukturen und verlangen nach Anpassungsfähigkeit, neuen Ideen und Offenheit gegenüber modernen Entwicklungen. Insbesondere der Digitalisierung werden unter Schlagwörtern wie Arbeit/Industrie 4.0, vierte industrielle Revolution oder auch Zukunft der Arbeit unterschiedlichste Szenarien zur Veränderung des Arbeitsmarktes in Aussicht gestellt. Wenngleich sich die Prognosen in ihrer Unterschiedlichkeit schwer zu einheitlichen Präventionsideen zusammenführen lassen, kristallisiert sich doch heraus, dass in Weiterbildungen ein Schlüssel gesehen wird, den Herausforderungen sich verändernder Arbeitswelten positiv gegenüberzutreten und die Chancen dieser Prozesse den Risiken entgegenzustellen. Gute Weiterbildungskonzepte und -möglichkeiten sind daher für einen gelingenden Umgang mit der digitalen Transformation der Arbeitswelt unabdingbar.
Gerade in ländlichen Regionen gibt es im Kontext von Weiterbildungsmaßnahmen besondere Rahmenbedingungen zu beachten:
Das regionale Angebot an einschlägigen Angeboten ist nicht ausreichend
Der Nutzen bestimmter Angebote ist für Unternehmen nicht unmittelbar zu erkennen
Unklare Entwicklungsperspektiven erschweren es, eigene Bedarfe an digitalen Kompetenzen konkret zu definieren
Aufgrund der räumlichen Lage in teilweise strukturschwachen und peripher gelegenen Regionen ist das Erreichen von Weiterbildungsangeboten häufig mit einem unangemessenen Aufwand an Ressourcen verbunden
Die Sicherstellung der Übertragbarkeit in die betriebliche Praxis ist fraglich
Diese Ausgangslage führt dazu, dass insbesondere in Zeiten hoher Auslastung nur eine begrenzte Bereitschaft vorhanden ist, an Weiterbildungsmaßnahmen zu partizipieren.
Aus diesem Grund haben sich im Verbundprojekt „Digitale Kompetenzen in der Weiterbildung“ fünf Hochschulen (HAWK Göttingen und HAWK Holzminden/Weserpulsar, Ostfalia, TU Braunschweig und TU Clausthal) und fünf Landkreise (Göttingen, Northeim, Holzminden, Goslar und Wolfenbüttel mit den dazugehörigen Wirtschaftsförderungen) sowie die zugehörigen Fachkräftebündnisse und die Ämter für regionale Landesentwicklung mit dem Projektbüro Südniedersachsen in Kooperation mit regionalen Weiterbildungsträgern und den Agenturen für Arbeit sowie den Jobcentern zusammengeschlossen.
Ziel des Verbunds ist es, ein auf die regionalen Bedarfe ausgerichtetes Weiterbildungskonzept für Unternehmen in ländlichen Regionen zu entwickeln. Dabei werden unter wissenschaftlicher Begleitung und empirischen Bedarfserhebungen sowie Validierung Beispiel-Curricula für regionale Weiterbildungsträger aufbereitet und modellhaft Module umgesetzt und evaluiert.
Teilprojekt Standort Göttingen:
Das Projekt am Standort Göttingen hat zwei Schwerpunkte. Zum einen nimmt es in den Landkreisen Göttingen und Northeim das Handwerk in den Fokus. Zum anderen wird eine Struktur- und Bedarfsanalyse inkl. regionaler Anbieterstrukturen, die unter anderem eine quantitative Unternehmensbefragung vorsieht, durchgeführt. Gleichzeitig wird der Bedarf der regionalen KMU (aufsuchende Beratung) validiert.
Erhebung
Die quantitative Erhebung, die durch die HAWK am Standort Göttingen durchgeführt wird, fokussiert auf den Bedarf der Unternehmen. Sie basiert auf dem Stand der Forschung des IAB, von Digital Readiness Analysen und weiteren Untersuchungen. Im Rahmen der Befragung werden Informationen zum digitalen Reifegrad der Unternehmen in der Region sowie zu Herausforderungen und Unterstützungsbedarf bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben erhoben. Darüber hinaus wird der branchenspezifische Weiterbildungsbedarf in den digitalen Strategien erfasst. Die Erhebung wird dabei für alle beteiligte Regionen durchgeführt und ausgewertet. Somit wird eine gemeinsame inhaltliche Basis geschaffen.
Handwerk
Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft in Niedersachsen ist die Beschäftigung im Handwerk in den letzten Jahren nur langsam gewachsen. Trotz guter Auftragslage mangelt es zum Teil an qualifizierten Fachkräften und geeigneten Nachwuchskräften (Vgl. IAB-Regional Niedersachsen-Bremen 2/2019, S. 43). Durch passgenaue Weiterbildungsangebote erhalten die Betriebe die Möglichkeit, auch weniger qualifizierte Fachkräfte einzustellen und anschließend über diese Angebote zu schulen. Auch die Qualität der Ausbildung könnte mithilfe zusätzlicher Weiterbildungsangebote verbessert werden.
Darüber hinaus zeigt sich in dieser Branche in allen Berufen eine Zunahme der Substituierbarkeit in den letzten Jahren. „Berufe im Bereich der Feinwerk- und Werkzeugtechnik sowie Drucktechnik und -weiterverarbeitung, Buchbinderei und auch Reinigungsberufe [sind] stark und zunehmend substituierbar“ (Thonipara et al. 2019: 62 f.). In diesem Zusammenhang verdeutlicht die „Strukturanalyse zur Digitalisierung des Handwerks in Südniedersachsen“ (Thonipara et al. 2019) außerdem, dass „auf niedersächsischer Ebene ein großer Handlungsbedarf in Bezug auf die Digitalisierung im Bereich der Mitarbeiterschulung“ besteht (S. 26). Dies gilt für IT-Kompetenzen im Allgemeinen und die Schulung von Mitarbeitern im Bereich IT-Sicherheit im Speziellen (vgl. ebd.). Ausgehend von den beschriebenen Schwierigkeiten im Handwerk wird im Rahmen dieses Projektes die Zusammenarbeit mit handwerklichen Betrieben in Südniedersachsen fokussiert.
Link zum Teilprojekt Göttingen
Teilprojekt Standort Holzminden:
Am Standort Holzminden werden zwei konkrete Maßnahmen durchgeführt. Zum einen geht es um die Konzipierung und Etablierung einer Weiterbildungsmaßnahme in der Pflege nach Qualifizierungschancengesetz und zum anderen soll eine regionale Plattform für Kurzzeitweiterbildungen erarbeitet und über einen Businessplan verstetigt werden.
Weiterbildungsmaßnahme für die Pflege
Die aktuelle gesundheitliche Situation und auch absehbare gesamtgesellschaftliche Entwicklungen durch Phänomene wie die Digitalisierung und den demografischen Wandel führen einerseits zu neuen Herausforderungen in der Pflege, zeigen auf der anderen Seite aber auch, wie wichtig und zentral qualifiziertes Personal in pflegenden Berufen zur Zeit und in der Zukunft ist. Weiterbildungsmaßnahmen in der Pflege sind mit einigen Hürden gespickt: Die zeitlichen Ressourcen der Mitarbeitenden sind knapp, die Finanzierung muss gestemmt und/oder Förderoptionen durchkämmt werden und dann sind die Maßnahmen oft auch noch weiter weg – insbesondere für den ländlichen Raum keine tolle Ausgangslage. Daher wollen wir uns gemeinsam mit den Fachkräften vor Ort auf Weg machen und eine Weiterbildungsmaßnahme nach den inhaltlichen und Formatspezifischen Bedarfen der regionalen Pflegedienstleister konzipieren. Damit die Finanzierung der Weiterbildung gelingt, werden die Kriterien des Qualifizierungschancengesetzes eingehalten, was primär bedeutet, dass die Weiterbildungsmaßnahme einen Umfang von mindestens 161 Stunden hat und zu bestimmten Anteilen gefördert wird.
Um diese Prozesse praxisnah zu begleiten werden wissenschaftliche Erhebungen mit Expertinnen und Experten sowie branchenbezogenen Gruppen durchgeführt, deren Ergebnisse quantitativ validiert und im Verlauf zirkulär evaluiert werden. Daraus abgeleitet werden exemplarische, „handfeste“ Inhalte in Form von Modulen der Weiterbildungsmaßnahme, die den Anwendungsbezug didaktisch berücksichtigen und mit Projektarbeit sowie der Nutzung digitaler Medien in Form von Blended Learning Szenarien eine zeitlich und räumlich flexible Wissensaneignung ermöglichen.
Regionale Plattform für Kurzzeitweiterbildungen
Neben der exemplarischen Weiterbildungsmaßnahme im Bereich Pflege soll eine regionale Plattform etabliert werden, auf der Kurzzeitweiterbildungen angepasst an die Bedarfe der regionalen Branchenstruktur und Wirtschaftskultur verfügbar gemacht werden. Dabei steht neben der Koordination und Initiation entsprechender Angebote auch die passgenaue Werbung in Sozialen Medien und zielgerichtete Ansprache in Unternehmen im Vordergrund. Thematisch handelt es sich bei den Qualifizierungsmaßnahmen um Anpassungsweiterbildungen, die Arbeitskräfte auf sehr spezifische Veränderungen und Neuerungen des Arbeitsalltags vorbereiten und Unternehmen eine Reaktion auf die schnellen digitalen Fortschritte ermöglichen.
Neben der Evaluation wird auch die perspektivische Etablierung der regionalen Plattform für Anpassungsweiterbildungen eine zentrale Rolle spielen. Hierbei wird ein Organisations- und Finanzierungsmodell einer dauerhaft die Weiterbildungsnotwendigkeiten bündelnden und moderierenden Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Weiterbildungsanbietern entwickelt.
Link zum Teilprojekt Holzminden