Landwirtschaftsnahe Personen erbringen in ländlichen Räumen wiederholt Engagementleistungen freiwilliger Art. Eine solche Form abseits des originären Prodktionsbezuges ist die Mitarbeit in den Lokalen Aktionsgruppen (LAGn) der Leader-Regionalentwicklung.
Diese Forschungsarbeit erkundet deren Attraktivität angesichts eines von Herausforderungen geprägten landwirtschaftlichen Handlungsumfeldes. Neue Erkenntnisse zur theoretischen Strukturierung des Untersuchungsgegenstandes landwirtschaftlicher LAG-Mitarbeit bereichern das Forschungsfeld.
Die ausgesprochen komplexe Rolle der Landwirtschaft als gestaltender Teil des ländlichen Raumes findet sein Abbild in einer differenzierten Wahrnehmung der Leader-Regionalentwicklung und der dortigen Mitarbeit. Im ländlichen Raum vollzieht der Akteur eine die eigene Rolle erkundende Suchbewegung.
Die Arbeit taucht zunächst in die Tiefe des landwirtschaftlichen Hintergrundes ein und konzentriert sich auf die Darstellung der Besonderheiten landwirtschaftlicher Lebens- und Arbeitswelt und damit auf die Menschen selbst.
Wesentliche Einflüsse auf landwirtschaftliches Handeln im Allgemeinen und das LAG-Engagement im Speziellen gehen von einer als `Sozio-kulturelle Fragmentierung der Landwirtschaft´ bezeichneten Komponente aus. Dieser Begriff wird mit seinen sechs Teilebenen in die Wissenschaft eingeführt.
Diese unterliegen jeweils für sich einem konfliktbehafteten Wandel zwischen Tradition und Moderne, zwischen Abschottung und Öffnung, Rückzug und Mitarbeit. Die Folgen sind ein Verlust an inneren und äußeren Orientierungslinien. Dies führt letztlich zu einer Verunsicherung landwirtschaftlich tätiger Personen.
Der Begriff `Sozio-kulturelle Fragmentierung´ fokussiert auf die aktuellen Herausforderungen für die in der Landwirtschaft tätigen Menschen und ergänzt damit die rein ökonomischen Herausforderungen des Strukturwandels mit einem Blick auf die dort tätigen Personen.
Als weitere theoretische Basis werden `Grundmotive freiwilligen Engagements´ entworfen, die sowohl für das freiwillige Engagement von Bürgern, als auch jenes von Unternehmen und Organisationen, eigene Engagementsystematiken darstellen. Die `Motive der Nicht-Teilnahme an Engagementgelegenheiten´ bereiten ebenfalls vorhandene Literatur auf. Sie zeigen theoretische Spektren auf, die im Sinne einer Auseinandersetzung mit möglichen Nutzenformen des Engagements eine Vorlage bieten, um engagementbezogene Ziele zu erkennen, einzuordnen und gegebenenfalls neu auszurichten.
In der Datenerhebung wurden landwirtschaftsnahe LAG-Mitglieder niedersächsischer Leader-Regionen postalisch und mündlich befragt. Typische Vertreter dieser Untersuchungsgruppe waren Kreisbauernvertreter, Landwirte und Landfrauen. Der Befragungszeitraum lag zwischen 2013 und 2015.
Von Einfluss auf die Höhe der landwirtschaftlichen LAG-Teilnahmemotivation sind die vier statistisch ermittelten Einflussfaktoren `Gemeinschaftsinteressen´, `Soziale Unterstützung´, `Handlungsressourcen´ und `Strategische Ausrichtung´. Je nach betrachteter landwirtschaftlicher Subgruppe können 43 – 60 % der Höhe der Teilnahmeabsicht an LAG-Sitzungen erklärt werden. Der ebenfalls identifizierte Faktor `Eigene Gruppe: Landwirtschaft´, der die Komplexität des landwirtschaftlichen Hintergrundes beschreibt, wird im Laufe der Auseinandersetzung ausdifferenziert.
Die qualitativen Befragungsergebnisse kreisen um die Wahrnehmung einer insgesamt eher schwierigen landwirtschaftlichen Rolle in den LAGn sowie die damit zusammenhängenden Motivations- und Demotivationsfaktoren eigenen Teilnahme.
Mit Blick auf die `Sozio-kulturelle Fragmentierung der Landwirtschaft´ werden der LAG-Teilnahme und den dabei zum Tragen kommenden gestaltenden Motive für die landwirtschaftliche Gruppe äußerst heilsame, weil identitätsstiftende Wirkungen attestiert, die den Fragmentierungsfolgen entgegenwirken. Die LAG-Teilnahme passt grundsätzlich gut ins Bild der eigenen Anstrengungen um öffentlichkeitsbezogene Integration, jedoch ruft die mangelnde Einbindung über Projektmöglichkeiten sowie ein LAG-seitig unklarer Bedarf an landwirtschaftlichen Kompetenzen die Frage nach der Einbindung der Landwirtschaft und deren Rolle in der ländlichen Entwicklung auf den Plan.
Ohne die direkte Beteiligung der Landwirtschaft und die Honorierung ihrer Rolle wird auch die integrierende Wirkung in Frage gezogen, die der Leader-Ansatz eigentlich versprühen kann. Die Diskussion thematisiert diese schwierige Rolle vor allem konventioneller Landwirtschaft in der Leader-Regionalentwicklung und entwirft hierzu `Engagementthemen´, welche das komplexe Miteinander theoretisch aufarbeiten und mit Verweis auf die beiderseitigen Einflüsse strukturieren.
Außerdem wurde eine siebenstufige `Evaluationstypologie´ entwickelt. Die Datenmenge erlaubt eine vereinfachte Strukturierung der Gesprächspartner in die drei Gruppen `Verärgerte´, `Beobachter´ und `Überzeugte´. Praktische Schlussfolgerungen werden sowohl an die Leader-Verantwortlichen als auch die landwirtschaftsnahe Gruppe selbst artikuliert.
Seitens des Leader-Ansatzes sind Nutzen- und Einbindungsformen für Mitglieder der konventionellen Landwirtschaft zu entwickeln. Darüber hinaus wird landwirtschaftsseitig insbesondere die Bildung eines landesweiten landwirtschaftlichen Leader-Forums als Raum eigenen Erfahrungsaustausches angeregt.
Das Promotionsvorhaben wurde von Dr. Benjamin Ebeling bearbeitet und im Jahr 2017 abgeschlossen.
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