Um die verschiedenen methodenbezogenen Wissens- und Erfahrungsbestände im Forschungsschwerpunkt (FSP) Regionalentwicklung – Bildung – Teilhabe an der HAWK zusammenzuführen und für interdisziplinären Austausch und Forschung sowie eine stärker transdisziplinäre Ausrichtung nutzbar zu machen, wurde im April 2023 mit dem OpenXperiment Lab eine Struktur für den FSP gegründet, die die Vernetzung und den Austausch der Forschenden untereinander unterstützen soll. Das OpenXperiment Lab soll Forschenden an der HAWK einen Experimentierraum bieten, um bislang in der eigenen Disziplin etablierte Forschungsmethoden kritisch zu reflektieren, neue Ansätze zu erproben und alternative Partizipationswege zu explorieren. Koordiniert und begleitet wird das OpenXperiment Lab von Dr. Agnes Kriszan und Dr. Katja Drews, die das Netzwerk der Forschenden betreuen und zum Austausch und zur Exploration im Experimentierraum einladen.

Mit der Einrichtung des OpenXperiment Lab werden folgende Ziele verfolgt:

  • Vernetzung und disziplinenübergreifender Austausch von Forschenden im FSP über methodische Herangehensweisen, gegenseitiges Methodencoaching;
  • Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit im FSP mit dem Ziel gemeinsamer Vorhaben;
  • Hinterfragen bislang etablierter Muster der Konzipierung und Umsetzung eigener Forschungsvorhaben;
  • Etablierung eines co-kreativen Mindsets und Öffnung von Forschenden hin zu mehr Inter- und Transdisziplinarität.

Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) stehen in der Tradition, eine wesentlich stärker ausgeprägte Nähe zur Praxis zu haben als Universitäten. Transdisziplinarität ist somit ein elementarer Teil ihres Selbstverständnisses, sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. Und doch macht es oft den Anschein, dass auch an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften im allseits bekannten Elfenbeinturm geforscht wird – zum Teil weit entfernt von der Gesellschaft und ihren tatsächlichen Bedürfnissen. Dabei erfordern die aktuellen Transformationen ein Mehr an Beteiligung von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, ein Mehr an Nähe und gesellschaftlicher Relevanz. Es geht um ein neues Verständnis von Forschung, das Wissensgenerierung nicht als Privileg von Wissenschaftler*innen ansieht, sondern als ein ko-produziertes Ergebnis aller beteiligten Forschenden, deren verschiedene Wissens- und Erfahrungsbestände eingebracht und zusammengeführt werden.

Den Weg zu einer derartigen „transformativen Wissenschaft“ (Kara 2015, Freihardt 2021) können Methodenrepertoirs ebnen, die Wissenschaft erlebbar machen, niedrigschwellig sind und Menschen in ihren Alltagswelten abholen. Besondere Potenziale bieten hier kreative Methoden wie beispielsweise Photovoice, Mappings, Cultural Probes oder auch LEGO® Serious Play®, die allesamt inspirierende Möglichkeiten bieten, Erlebnisse und Erfahrungen sowie Werte, Ideen und konkrete Vorstellungen an den Tag zu bringen.

Partizipation im Dorf – co-kreativ innovativ

Welches Innovations-, Aktivierungs- und auch Forschungspotenzial co-kreative Methoden besitzen, lässt sich am Beispiel eines vom OpenXperiment Lab begleiteten Projektes im Dorf Lelm, einem Ortsteil der Stadt Königslutter, veranschaulichen. Weithin sichtbare Landmarke des Dorfes ist die über 1000 Jahre alte Kirche St. Maria, die Ausgangspunkt einer Kooperation mit der HAWK, Fakultät Bauen und Erhalten, ist.

Dr. Birgit Franz, Professorin für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege, untersuchte mit Architektur-Studierenden im Rahmen eines Praxisprojektes den baulichen Zustand der renovierungsbedürftigen Kirche und ließ darauf aufbauend Abschlussarbeiten über mögliche Bau- und Nutzungsszenarien anfertigen. Dabei war es Prof. Dr. Franz wichtig, dass die Studierenden nicht nur ihre eigene fachliche Perspektive einbrachten, sondern in einem partizipativen Prozess auch die Sichtweise der Akteur*innen vor Ort integrierten.

In Zusammenarbeit mit dem OpenXperiment Lab wurde ein Konzept für einen Partizipationsprozess entwickelt, der in einem ersten Schritt die Studierenden und Mitglieder der Kirchengemeinde zusammenbrachte. In zwei LEGO® Serious Play® Workshops wurden zunächst individuelle Modelle zu möglichen Entwicklungsszenarien und anschließend ein gemeinsames Modell als Zukunftsvision für die Kirche entwickelt.

Interessanterweise veränderten sich während des Prozesses die inhaltlichen Prioritäten: das Ausloten von Möglichkeiten der Bauwerkerhaltung rückte ein Stück weit in den Hintergrund, während sich eher Fragen zur zukünftigen Nutzung des Kirchengebäudes sowie des umliegenden Grundstücks stellten. Wie kann das Gebäude einer Nutzung durch unterschiedliche Alters- und Interessengruppen zugeführt, aber auch weiterhin als Glaubensort genutzt werden? Wie kann es möglicherweise (wieder) ein Mittelpunkt des Dorfes werden? Und wie lassen sich ökologische und ökonomische Belange in all diesen Fragen berücksichtigen?

Der LEGO® Serious Play® Prozess legte den Grundstein für eine vertiefte Auseinandersetzung der Teilnehmenden mit ihrer Kirche – sowohl was die architektonische Zukunft des Gebäudes, aber auch die Rolle der Kirche als Institution im Dorf anging. Es wurden Reflektionsprozesse angestoßen, die auch im Nachgang zu den Workshops noch wirkten und dazu führten, einen weiteren LEGO® Serious Play® Workshop mit weiteren Bewohnenden durchzuführen und den Partizipationsprozess damit für das gesamte Dorf zu öffnen. Im Ergebnis wurden den Teilnehmenden aus dem Dorf Impulse gegeben, welche Schritte nun zu gehen sind, um die Kirche als Bauwerk und Begegnungsort neu aufzustellen.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im OpenXperiment Lab hat sich für alle Beteiligten als überaus fruchtbar erwiesen – sowohl hinsichtlich der erzielten Ergebnisse vor Ort in Lelm und bei den Studierenden, als auch in Hinblick auf die Anwendbarkeit und den Mehrwert der Methode LEGO® Serious Play® in inter- und transdisziplinären Forschungskontexten.